Von der Sowjetunion lernen, heißt Siegen lernen. So hieß es 1951 in der Deutschen Demokratischen Republik, kurz DDR, die ja Schüler in Deutschland aus den fünf neuen Bundesländern inzwischen nicht mehr aus den Schulunterricht kennen und als demokratischen Sozialstaat mit freien Wahlen und Vollversorgung schildern. Für Georgien scheint mir der Begriff „von den USA lernen, heißt Siegen lernen“ derzeit eher angebracht.
Bei den Wahlen am 5. Januar ist es nach den uns vorliegenden Berichten zu massiven Fälschungen gekommen. Dies belegen Augenzeugenberichte. Die Berichterstattung in den Medien in Deutschland auf Basis der Darstellung der OSZE sah anders aus. Dort wurden die Wahlen als frei bezeichnet. Da muss ich mir die Frage stellen: Warum hatte dann meine Familie Probleme, ihre Stimmen abzugeben, warum gab es die Kameras in den Wahllokalen, warum das stundenlange Schlange stehen? Das ist nur ein Punkt, der aus unserer Erfahrung der letzten Tage her kommt.
Die Berichterstattung der westlichen Medien war, abgesehen von dem kritischen Artikel in der Frankfurter Rundschau, auf einem einheitlichen Niveau und hinterfragte nicht, was in Georgien abgeht. Wieso wurden etliche Wahlbeobachter verprügelt und festgenommen? Woher kamen die 80% Stimmenanteil in Achalkalaki, der von Armeniern bewohnten Region im Süden Georgiens, in der die russische Basis geschlossen wurde und in der Saakaschwili vor zwei Jahren sagte, er werde Arbeitsplätze für alle schaffen, was bis heute nicht geschehen ist? Fragen, die ich mir seit Sonntag Abend stelle.
Auch die Berichterstattung in den Medien in Georgien vor der Wahl war sehr einseitig auf Micheil Saakaschwili ausgerichtet. Und wer Tbilisi in den Tagen vor der Wahl gesehen hat, wie wir es getan haben, komplett ins Licht getaucht, mit meterhohen Plakaten von Saakaschwili und Wahlspots von Saakaschwili auf Videoleinwand an jeder Ecke, der hat den medialen Supergau erlebt. Im Fernsehen Veranstaltungen, auf denen Saakaschwili sich feiern lässt. Die gleichen Bilder, die wir derzeit aus den USA sehen, wenn es um die Vorwahlkämpfe bei den Demokraten geht. Nur dass die Opposition im Fernsehen nicht vorkommt.
Aber das ist nicht der einzige Punkt. Die letzten Präsidentschaftswahlen wurden vor Gericht entschieden. Nach der Schlacht der Anwälte stand George Bush als Sieger da. Und genau dieses Szenario scheint sich auch in Georgien anzubahnen. Die Opposition hat bereits ihren Gang vor die Gerichte angekündigt. Es ist möglich, dass es jetzt eine vergleichbare Schlammschlacht gibt.
Auf die OSZE in diesem Fall Hoffnung zu setzen, scheint dabei verfehlt. Trotz aller auch von der OSZE geschilderten Behinderungen vor der Wahl hat man diese Wahlen als demokratisch bezeichnet. Die Berichte aus Georgien sprechen eine andere Sprache. Aber offensichtlich hat die Politik die Menschen in Georgien zugunsten einer erstmal erreichten Stabilität aufgegeben und unterstützt lieber Saakaschwili und das autokratische Regime, das er in den letzten vier Jahren aufgebaut hat.
Wir werden weiter umfassend über die aktuellen Ereignisse aus Georgien berichten. Es wird allerdings eine striktere Trennung von Meldung und Meinung geben, wie mir in den letzten Tagen angekreidet worden ist.